Hölle auf Erden: Foltergefängnis S-21 und Killing Fields
Vorab möchten wir sagen, dass uns dieser Beitrag nicht leichtgefallen ist und der Besuch der nachfolgend vorgestellten Gedenkstätten definitiv Spuren bei uns hinterlassen hat. Die beiden Gedenkstätten erinnern an den Völkermord der Roten Khmer, die über ein Viertel der Bevölkerung in Kambodscha ausgelöscht haben. Wir haben uns aus 3 Gründen dazu entschieden diesen Beitrag separat zu verfassen und auch viele Bilder zu zeigen:
- damit, die Opfer nicht vergessen werden!
- damit, viel mehr Menschen wissen, dass es diese schrecklichen Taten gab und daraus lernen!
- und dass so etwas nie, nie, nie wieder geschieht!
Wir werden diesen Beitrag auch nicht, wie gewohnt, durch Werbung unterbrechen.
Wie es zu den Gräueltaten kam, benötigt etwas historisches Hintergrundwissen, dass wir dir ganz kurz vermitteln wollen.
Die Geschichte
Zu Zeiten des Vietnamkrieges war Kambodscha ein stabiles Land und verhielt sich unter König Sihanouk neutral. Die Khmer gestatteten lediglich den Nordvietnamesen im Osten von Kambodscha ihre Tunnel zu bauen, um die Amerikaner anzugreifen und ihren Versorgungsnachschub zu regeln. Diese Tunnel waren der Grund für fast 3 Mio. Tonnen Bomben, die die Amerikaner auf kambodschanischen Boden regnen ließen. Aber damit nicht genug, die Amerikaner unterstützten einen Putsch gegen König Sihanouk, da dieser eine Stationierung von amerikanischen Soldaten in Kambodscha nicht zuließ. 1970 gelang durch diesen Putsch Lon Nol, General des Militärs und Freund der Amerikaner, an die Macht und das solide Machtsystem in Kambodscha brach zusammen. In den folgenden fünf Jahren verlor der ehemalige Militärgeneral immer mehr an Macht und die Roten Khmer, wie sie einst von König Sihanouk zum ersten Mal bezeichnet wurden, wurden immer stärker. Doch wer sind die „Roten Khmer“ eigentlich? Ein paar alte kambodschanische Offiziere schlossen sich mit den Vietminh gegen die Französen zusammen, die früher Indochina zu erobern versuchten. Um 1967 entwickelte sich aus den Roten Khmer eine Vereinigung von Intellektuellen aus Phnom Penh, die den altertümlichen Führungsstill des Königs nicht mehr akzeptierten und eine neue Zeit herbeiführen wollten. Viele junge Menschen, schlossen sich der Organisation an.
Die „Roten Khmer“, mit ihrem Anführer Pol Pot und mit einem Heer von Kindersoldaten marschierten am 17. April 1975 in Phnom Penh ein und ergriffen die Macht im ganzen Land. Sie vertrieben die Menschen aus den Städten und zwangen diese zum Bau von Bewässerungsanlagen und zum Reisanbau auf dem Land. Die Ideologie der „Roten Khmer“ sah ein neues Kambodscha vor, indem die vorherrschende Kultur ausgelöscht werden sollte. Moderne Städte, Bildung, die wachsende Orientierung an den Westen und die wachsende Modernisierung wurden als Falsch angesehen. Wie zu Zeiten des Angkor Königreiches, sollte die Bevölkerung sich wieder auf das „Bauer sein“ konzentrieren. Der Reisanbau sollte verdreifacht werden und dazu waren Arbeitskräfte auf dem Land nötig. Also vertrieben die „Roten Khmer“ die Menschen aus den Städten und verteilten sie auf ländliche Gebiete. Anfangs flohen die Menschen freiwillig aus den Städten, da sie einen erneuten Bombenangriff befürchteten. Später brachten die Roten Khmer einfach jeden um, der sich widersetzte. Somit war nach den ersten drei Tagen ihrer Machtergreifung die Hauptstadt Phnom Penh vollkommen menschenleer. Doch mit der Vertreibung und Zwangsumsiedlung der Stadtmenschen war es nicht genug. In ihrer paranoiden Denkweise töteten sie jeden Gegner des „Neuen Systems“. Gegner waren neben den politisch-andersdenkenden auch normale gebildete Leute, die sich durch das Tragen einer Brille oder das Beherrschen einer Fremdsprache auszeichneten. So wurden alle Lehrer, Ärzte, Rechtsanwälte und Studenten gefoltert und umgebracht und viele als CIA Spitzel bezeichnet. Diese Menschen und ihre Familien wurden in „Sicherheitsgefängnisse“ abtransportiert, gefoltert oder sofort hingerichtet. Im menschenleeren Phnom Penh wurde eine ehemalige Schule in das Sicherheitsgefängnis 21 (S-21) umgebaut. Diese sind mit einem KZ aus der Zeit des Nationalsozialismus vergleichbar. Das Gefängnis ist heute das Tuol Sleng Museum, welches an die damaligen Gräueltaten erinnern soll.
Die dort gefolterten Menschen wurden gezwungen ein falsches Geständnis abzugeben und ihre „Zusammenarbeit“ mit der CIA zu bestätigen und weitere angebliche Agenten zu identifizieren. Die hilflosen Opfer gaben somit weitere Namen bekannt und ein nicht enden wollender Kreislauf von Verdächtigungen und Folterungen nahm seinen Lauf. Hatten die Opfer ihr falsches Geständnis abgelegt wurden diese auf den sogenannten „Killing Fields“ hingerichtet. Kniend vor ihrer eigenen „Todesgrube“ wurde den nackten Menschen die Kehle durchgeschnitten und, als wären sie nichts wert, in die Grube geworfen, in der schon hunderte andere Menschen lagen. Jenes nur, weil man z.B. Brillenträger war. So oder so ähnlich erging es vielen tausenden von Opfern. Bis heute sieht man in Kambodscha nur wenige Menschen, die eine Brille öffentlich tragen, vielleicht immer noch aus Angst. Um Zuspruch für seine „neue Welt“ vom Westen zu erhalten, wurde Schweizer Journalisten und Diplomaten nach Phnom Penh eingeladen. Diese bekamen in einem Rundgang, nur das zu sehen was sie sollten: glückliche Menschen. Durch diese Reports der Schweizer und die Abschottung Kambodschas zu den Nachbarländern, wurde der Schrecken der Roten Khmer bis 1979 nicht aufgedeckt. Nur einer dieser Diplomaten hat sich bis heute dafür entschuldigt und sein Bedauern ausgedrückt, dass er nicht mehr Dinge misstrauisch hinterfragt hat.
Insgesamt kamen durch die Herrschaft der Roten Khmer ca. 2 Mio. Menschen um, das war ca. ein Viertel der Gesamtbevölkerung zum damaligen Zeitpunkt. Das Tuol Sleng Museum (Sicherheitsgefängnis S-21) und das Choeung EK Völkermord-Gedenkzentrum (Killing Fields) sind jedoch nicht die einzigen Plätze an denen die Menschen inhaftiert und umgebracht wurden. Über das Land verstreut existieren über 300 dieser Killing Fields.
Tuol Sleng Museum – Sicherheitsgefängnis S-21
Unseren Tagesausflug starteten wir morgens gegen 11 Uhr am Sicherheitsgefängnis S-21 (Tuol Sleng Museum). Der Eintritt betrug 6 USD und ein Audioguide war in allen Sprachen, inklusive. Der Audioguide führt dich durch das gesamte Gefängnis und erzählt dir einige unglaubliche und abscheuliche Geschichten von Überlebenden, die hier inhaftiert waren. Das Gefängnis diente dazu, Geständnisse jeder Art zu erzwingen. Den Wärtern war es verboten Inhaftierte absichtlich zu Töten… Ärzte wurden beauftragt, die Gefangenen so lang wie möglich am Leben zu erhalten, bis ein falsches Geständnis herbeigeführt wurde. Trotzdem starben Menschen an der unvorstellbaren Folter.
Zu Beginn der Tour siehst du 14 weiße Gräber, die den letzten 14 Menschen gewidmet sind deren Leichen man bei der Befreiung vorgefunden hat, identifizieren konnte man sie leider nicht. Der gesamte Komplex war vor der Vertreibung der Bevölkerung aus Phnom Penh eine Schule, die zum Gefängnis umgewandelt wurde. Man sieht in einigen Räumen noch die Tafeln an den Wänden hängen.
In Gebäude A kannst du dir Gefängniszellen und Verhörräume anschauen. Die Zellen sind nur mit einem eisernen Bett ausgestattet, an denen noch die Fesseln zu sehen sind. Eine Toilette? Fehlanzeige! Die Gefangen wurden in ihren eigenen Exkrementen liegen gelassen. An der Wand hängt ein Bild, das eine Leiche auf dem Bett zeigt. Die Bilder waren erschütternd und die Atmosphäre war sehr bedrückend. Wie können Menschen so etwas anderen Menschen antun? Eine unfassbare Vorstellung. Du kannst in einigen Räumen sogar noch Blutspritzer an der Decke sehen. Einfach unvorstellbar!
Vor dem zweiten Gebäude befindet sich der Galgen, hier wurden die Menschen an den hinter dem Rücken gefesselten Armen aufgehängt, solange sie das Bewusstsein verloren. Dann wurden sie zum „aufwecken“ kopfüber in einen großen Krug, gefüllt mit Fäkalien, gesteckt. Und wieder fragt man sich, wie kann jemand so etwas einem anderen Menschen antun? Wie kann man daran auch noch Spaß empfinden? Wer denkt sich so eine Foltermethode überhaupt aus? Das Foto rechts zeigt, ein von einem Überlebenden des Gefängnis S-21, gemaltes Bild der Folterung.
Im zweiten Gebäude werden die Verantwortlichen der schrecklichen Taten und ihre Opfer vorgestellt sowie Geschichten von der späteren qualvollen Suche nach vermissten Angehörigen erzählt. Die Täter bekamen ein Gesicht! Aber statt in die Augen von „Dämonen“ oder „Ungeheuern“ zu blicken, sahen die Verantwortlichen aus, wie ganz normale Menschen. Kaum vorstellbar, dass diese die Urheber der wohl schlimmsten Gräueltaten der indochinesischen Geschichte sein sollten. Im mittleren Bild seht ihr oben links den Anführer der Roten Khmer: Pol Pot.
Im dritten Gebäude befinden sich abermals Zellen. Die Wände der einzelnen Zimmer wurden durchgebrochen, sodass ein langer Gang entsteht. Die Zellen sind hier unmenschlich klein. Eine Toilette gab es hier wieder nicht. Die Notdurft musste in eine Flasche verrichtet werden. Dabei durfte nichts auf den Boden gelangen, ansonsten musste der Boden mit der Zunge gereinigt werden. Auch ein Bett gab es in diesen Zellen nicht, der Raum war unfassbar klein und musste dennoch Platz für mehrere Personen hergeben, die sich nackt mit Hand- und Fußfesseln auf den Boden drängen mussten. Auch hier sind noch rote Blutflecken auf den Bodenfliesen zu sehen. Was für eine Hölle muss das gewesen sein?
Im oberen Stockwerk wurden einige Geständnisse und die Geschichte der Gefangenen ausgestellt. Wir haben einige durchgelesen – einfach erschütternd. Die Roten Khmer waren wirklich paranoid und wollten alle Menschen, in denen sie eine Bedrohung für ihre Macht sahen, auslöschen. So musste zum Beispiel ein Rechtsanwalt zugeben, dass er mit der CIA zusammenarbeitet und bat in einem Brief an seine Frau ihr noch ungeborenes Kind zu töten. Wirklich krank! Ein anderer Inhaftierter Amerikaner musste ebenfalls gestehen mit der CIA zusammenzuarbeiten. Als seinen Chef gab er den Namen des Gründers einer noch heute existierenden Fastfood-Kette an. Als die Roten Khmer noch weitere Namen wissen wollten nannte er ausgedachte Namen, die eine Botschaft an seinen Bruder als „Kontaktmann“ und seine Mutter als „Ausbilderin“ der CIA, beinhalten sollten. Die Botschaft beinhaltete laut seines Bruders, dass er an die beiden denkt und dass die Roten Khmer ihn niemals kontrollieren könnten.
Ihr denkt das war alles? Nein! Das letzte Gebäude enthält noch die Folterinstrumente, Schädel und Knochen der damals getöteten Menschen bereit. In den Schädeln sieht man die Löcher und Brüche, die durch das Schlagen der Gefangenen entstanden. Es sind keine Löcher von Schusswaffen, denn eine Kugel waren die Gefangenen nicht wert bzw. hätten diese zu viel Lärm verursacht. Das Gefängnis sollte geheim gehalten werden. Hier ist ein kleiner Eindruck, was ihr dort sehen könnt:
In dem Gebäude ist auch ein Schrein zum Gedenken aufgestellt worden und außerhalb ein Mahnmal für die Toten mit den Namen der aus Akten bekannten getöteten Menschen. Es ist jedoch erwiesen, das weitaus mehr Menschen in diesem Gefängnis waren als aus den Gefängnisakten bekannt ist. Viele Menschen in Kambodscha wissen bis heut nicht, wann und wo ihre Liebsten getötet wurden.
Neben dem Mahnmal ist ein kleiner Stand an dem ein älterer Mann bei unserem Besuch sah’s. Einer von an der Hand abzählbaren überlebenden. Unfassbar, dass jemand diese Hölle überleben konnte. Erinnert ihr euch an das von einem Überlebenden des Gefängnis S-21 handgemalte Bild vom Galgen? Er ist der Künstler. Wir wünschen ihm alles erdenklich Gute und hoffen, dass er nach dieser Hölle noch ein annähernd glückliches Leben führen konnte und noch kann.
Killing Fields
Gegen halb zwei ging es dann mit dem Tuk Tuk für 12 USD (Hin- und Rückfahrt) zu den Killing Fields. Wie bereits schon erwähnt starben im Gefängnis S-21 die wenigsten Menschen. Hatte man sein Geständnis abgelegt wurde man nachts zu den Killing Fields gebracht, die ca. 15 Kilometer außerhalb von Phnom Penh liegen. Der Eintritt zu der Gedenkstätte kostet ebenfalls 6 USD, Audio-Guide inklusive.
Auf einem alten chinesischen Friedhof wurden Massengräber ausgehoben. Als täglich mehrere LKWs mit zum tote verurteilten Menschen das Gelände erreichten, mussten diese in überfüllte Hütten eingesperrt werden und einer nach dem anderen zu den Massengräbern geführt werden. Dabei ertönte aus Lautsprechen so laute Musik, dass die anderen Gefangenen und die Anwohner die Schreie nicht hören konnten. Die Menschen mussten am Rande der Grube niederknien und wurden durch einen Schlag mit einer Axt oder einer Machete auf den Hinterkopf getötet und fielen in die Grube. In der Grube selbst war noch ein weiterer Wärter, der dem Gefangenen die Kehle durchschnitten hat. Dafür nutzten die Wärter teilweise alte scharfe Palmenwedel.
Am Eingang läuft man auf einen Gedenkstupa zu. Diesen am Ende des Rundganges besucht werden soll. Der Rundgang beginnt am LKW-Haltepunkt mit dem die Gefangenen nach ihrem Geständnis vom Gefängnis zu den Killing Fields transportiert wurden. Anschließend sieht man einige Grundrisse von Hütten, in denen die Gefangenen bis zu ihrem Tod eingesperrt wurden. Anschließend ging es zu den Massengräbern. Einige von ihnen sind heute überdacht. Andere wurden ausgehoben und zeichnen eine hügelige Landschaft, aber nicht alle Skelette wurden geborgen, dafür sind es einfach zu viele.
Die Atmosphäre war bedrückend. Und immer wieder diese eine Frage: „Wie kann ein Mensch einem anderen das antun?“
Der weitere Weg führt dich vorbei an Überresten von Knochen und Kleidung der Getöteten. Noch heute, so der Audio-Guide, werden bei starken Regenschauern neue Knochen freigelegt und alle drei Monate von den Angestellten der „Gedächtnisorganisation“ eingesammelt, dessen Gründer ein ehemaliger Häftling des S-21 ist. Manche Kleidungsstücke der Opfer werden ebenfalls an die Oberfläche gespült und sind mit Bäumen verwurzelt, die diese nicht mehr hergeben wollen. Einfach unfassbar!
Und der Abscheulichkeit nicht genug, gipfelt sich das grauen am „Killing Tree“. Hier wurden Kleinkinkinder und auch Babys an den Füßen gepackt und solang mit dem Kopf gegen den Baum geschlagen, bis sie tot waren. Als dieser schreckliche Ort entdeckt wurde klebte noch Gehirnmasse an den Bäumen. Was für eine grausame Vorstellung! Wir waren den Tränen nahe.
Als letzten Stopp auf dem Rundgang kommen wir nun zu dem Gedenkstupa, den ich eingangs schon erwähnt habe. Das Mahnmal ist gefüllt mit Überresten von Knochen, Kleidung und Schädeln der bisher freigelegten Massengräber. Da läuft einem der Schauer eiskalt über den Rücken.
Fazit Besuch vom Gefängnis S-21 und den Killing Fields
Wir beide hatten und haben immer noch mit dem Gesehen zu kämpfen. Es war eine grausame Erfahrung für uns, zu sehen, zu was Menschen imstande sind. Trotz allem finden wir, man sollte sich dem Geschehenen stellen und diese beiden Gedenkstätten besuchen. Denn die Opfer dürfen nicht vergessen werden. Wir hoffen einfach, dass wir mit diesem Beitrag einen Teil dazu beitragen können, dass die fürchterlichen Geschehnisse in Kambodscha weiterverbreitet werden und in das Bewusstsein der Menschen gelangt, damit solche Gräueltaten nie wieder geschehen.
Übrigens, Pol Pot der Anführer der Roten Khmer wurde nie zur Rechenschaft gezogen. Nachdem Kambodscha durch die Vietnamesen, von den Roten Khmer 1979, befreit wurde, floh er mit seinen übrig gebliebenen Anhängern an die thailändische Grenze. Da die Gräueltaten lange Zeit nicht bis nach Europa und Amerika vorgedrungen waren, unterstützten europäische Statten und auch Amerika die Roten Khmer weiterhin und empfanden diese als „legitime“ Regierung. Durch Auseinandersetzungen in den eigenen Reihen der Roten Khmer gelangten diese nie wieder an die Macht und lösten sich auf. Pol Pot, das Sinnbild des Schreckens und Urheber der katastrophalen Ereignisse, lebte ein glückliches Leben und starb nach unseren Informationen eines natürlichen Todes im Alter von 82 Jahren.